Nutzer eingeschüchtert von Social Media

Vortrag von Sarah Gonschorek zu „Hass im Netz“ / Bundestagskandidatur im nächsten Jahr

Sarah Gonschorek

Am vergangenen Mittwoch durfte der Ortsverband der Grünen im Haus Welschenbeck eine
besondere Referentin in Empfang nehmen: Die grüne Bundestags-Kandidatin für den Kreis
Soest, Sarah Gonschorek. Die Lippstädterin ist Sprecherin der Lippstädter Grünen und möchte
bei der Bundestagswahl nächstes Jahr in den Bundestag einziehen, um grüne Positionen aus
dem Kreis Soest voranzutreiben. Ihr Fokus liegt, neben dem Digitalem unter anderem in der
ArbeitnehmerInnen-Politik. Sie referierte vor 16 Teilnehmenden über „Hass im Netz“. Der
Vorstand um Lennard Schlöffel leitete den Vortrag mit freudigen Worten ein: „Wir sind froh,
Sarah für dieses wichtige Thema gewinnen zu können und unterstützen sie bei ihrer
Kandidatur.“

Einschüchterung im Netz

 

80 Prozent der Gewalt im Netz richtet sich gegen Frauen und fast jede zweite Frau hat dort
bereits Nacktfotos erhalten, rund 25 Prozent der jungen Männer finden Gewalt gegen Frauen in
Ordnung und „Tik-Tok“ befördert aggressive Kommentare direkt in die Sichtweite neuer
NutzerInnen und machte bei der Europawahl die AFD stark. Dazu sind immer mehr Menschen
im Netz eingeschüchtert und äußern nicht ihre politische Meinung, bis hin zu Racheakten und
Erpressung: Sind die sozialen Medien ein rechtsfreier Raum?
Diese Erkenntnisse verdeutlichte Gonschorek in ihrem Vortrag und nahm Bezug auf die Studie
des „Kompetenznetzwerks“.  Jede Betroffene solle sich eine Vertrauensperson suchen, „die
aufräumt und Hasskommentare löscht.“ Generell müsse mehr Resilienz entwickelt oder auf
andere Techniken zurückgegriffen werden, um gegen derartige Angriffe gewappnet zu sein.
Dazu kommt, dass gut 60 Prozent der Jugendlichen sich ausschließlich in den sozialen Medien
informieren. Daher sei es als Elternteil sehr wichtig, ständig im Kontakt zu bleiben. So lange
es bis zu einem gewissen Alter geht. Dazu kommt, dass besonders klassische Rollenbilder, wie
eine übersteigerte Männlichkeit, jungen Nutzern präsentiert werden. Dass die AFD so stark ist,
lässt sich auf ihre hohe Aktivität zurückführen, gerade bei Tik-Tok. Zum Beispiel genüge es
für neue Nutzer bei Tik-Tok durch die „Timeline“ zu scrollen und bereits nach zwei Videos
erscheine ein Video der AFD. Und dabei spielen sie mit unfairen Mitteln, da mit Fake-News
und negativer Kommentierung leichter Aufmerksamkeit angezogen werden kann. Wenn eine
altgediente Partei beispielsweise ein Thema in allen Facetten mit einem Beitrag erklären will,
ist es einfacher, eine simple Parole dagegen zu stellen.
Die Kandidatin für den Bundestag erklärte, dass analoge Gewalt die digitale Gewalt bedinge
und fast immer politisch (motiviert) sei. Daher haben immer mehr Menschen Angst ihre
Ansichten zu teilen und ziehen sich zurück, das Feld wird also den Agitatoren überlassen. „Bei
Instagram ist die Situation noch in Ordnung, bei Facebook ist die Atmosphäre sehr negativ und
bei Tik-Tok ist es noch schlimmer“, erklärte Gonschorek.
Dabei führen die Mechanismen der sozialen Medien in eine Einbahnstraße für die eigene
Meinung. Gonschorek: „In den sozialen Medien werden Meinungen hingelegt und andere
Argumente außen vorgelassen. Der Meinungsaustausch findet nur in der eigenen Blase statt.“

Wirklicher Austausch schwierig

 

Die gesamte Meinungsvielfalt wird nicht abgebildet. Man komme also schwer in einen
wirklichen Austausch, auch mit anderen politischen Einstellungen, und ein wirklicher Diskurs
kann gar nicht stattfinden. Die Lippstädterin verwies auf konkrete Maßnahmen, zum Beispiel
„Banden zu bilden“: „Wir dürfen uns dem nicht hingeben und müssen weiter aktiv bleiben.“
Dabei helfe schon, unter einen Post eines Politikers oder einer Partei / Organisation einen
Smiley zu setzen. Dadurch werden die negativen Kommentare in die Unwichtigkeit geschoben.
Weitere konkrete Maßnahmen sind simpel und liegen auf der Hand: Anzeige erstatten. Das geht
bei mehreren Stellen wie der meldestelle-respect oder dem BKA. Das
Netzwerkdurchsetzungsgesetz (Netz DG) oder das Gesetz zur Bekämpfung des
Rechtsextremismus und der Hasskriminalität sind erste Anfänge, aber „es müsse noch mehr
von der Politik gemacht werden“.
Mit Aussicht auf die kommenden Wahlkämpfe in 2025 zeichnete sie kein gutes Bild: „Ich
glaube, es kann ein schmutziger Wahlkampf werden.“ Im Anschluss an den Vortrag entwickelte
sich eine rege Diskussionsdynamik zu diesem aufwühlenden Thema.

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